Brand Strategy

Mit Markenführung gegen Roboter-Mobbing

Roboter-Mobbing? Haben wir keine anderen Sorgen? Wir vielleicht schon, nicht aber Eric Meyhofer, Leiter der Abteilung für selbstfahrende Fahrzeuge bei Uber. Für ihn ist das Mobbing von Verkehrsteilnehmern gegenüber ihren selbstfahrenden Autos ein wirkliches Problem, wie «Pressetext» schreibt. Es sei erstaunlich, dass Menschen ihren Aggressionen freien Lauf lassen, obwohl sie dabei von den Uber-Autos gefilmt werden. Laut Meyhofer gäbe es viele Videoaufnahmen von Fahrern, die Robo-Autos bedrängen und zum Bremsen zwingen, oder ihre Vorfahrt ignorieren. «Die Leute glauben, sie können aggressiver sein, weil wir keine Position dazu einnehmen oder es einfach zulassen», beklagt Meyhofer. Fussgänger rufen den autonomen Autos Beleidigungen nach, machen obszöne Gesten oder stellen sich ihnen sogar in den Weg, um ihre Bremsfähigkeit auf die Probe zu stellen. Meyhofer bezeichnet diese Behandlung als «böswillig».

Wie so oft nimmt die Kunst gesellschaftliche Entwicklungen vorweg: Letztes Jahr setzte sich der Schweizer Künstler Piet Baumgartner mit der Mensch-Drohnen-Beziehung auseinander und schuf sein Video-Werk «Drones Over All. A tribute to Pipilotti from Piet.» (Die beiden Fotos stammen aus dem Video.) Man kann Gewalt ganz grundsätzlich ablehnen, doch einen gewissen Reiz ist der Inszenierung «Baseballschläger gegen Drohnen» nicht abzusprechen.

Gemäss «Pressetext» ist Aggression und Gewalt gegen Roboter in den USA nicht neu. 2015 wurde «Hitchbot», ein per Anhalter durch die Staaten nach Kanada reisender Automat, geköpft in einem Strassengraben nahe Philadelphia gefunden. Waymo, Googles hauseigener Service für autonome Autos, hat auch Probleme mit Roboterfeinden. Seit der Service startete, wurden bei mehreren Fahrzeugen die Reifen zerschnitten und sechs von ihnen sogar von der Strasse gedrängt. Einem Bericht der «New York Times» zufolge gab es alleine im Bundesstaat Arizona im vergangenen Jahr 20 Fälle von Vandalismus gegen Waymo-Autos.

Die Wiener Verkehrspsychologin Marion Seidenberger gegenüber «Pressetext»: «Es handelt sich bei autonomen Autos um eine Neuheit. Menschen tasten sich an Unbekanntes heran, sie sind kritisch und auch ängstlich. Wie ein Kind probieren sie erstmal aus, wie weit sie gehen können. Man bedient hier ihren Spieltrieb, aber auch ihre Zerstörungswut. In Salzburg wurden zum Beispiel einem autonomen Bus Gegenstände wie Restaurantschilder in den Weg gelegt, einfach nur um zu sehen, wie der Bus reagiert.»

Möglicherweise lässt sich das Mobbing gegen Technik bald technisch lösen. Charlotte Edmunds, Verhaltensforscherin an der Warwick Business School: «Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es vernünftig ist, anzunehmen, dass ein Maschinenlern-Algorithmus und somit ein Roboter lernen kann, eine Reihe von Emotionen und sozialen Interaktionen anhand von Bewegungen, Posen und Gesichtsausdrücken zu erkennen.» Das könnte Robotern in Zukunft beispielsweise erlauben, in kritischen Situationen ohne menschliches Eingreifen den Rückzug anzutreten.

Viel einfacher und bereits heute möglich ist ein anderer Weg: Unternehmen, die auf Roboter setzen, sollten dringend dafür sorgen, ihre Unternehmensmarken menschlicher zu machen und Nähe zu schaffen – damit die neue Technik einem nicht fremd vorkommt, weil man dem Absender vertraut. Auch Schweizer Technologieunternehmen positionieren sich noch sehr stark über Performance, Excellence und dem Reiz technischer Machbarkeit, statt ihre Robotik über Hilfe, Vereinfachung und Entlastung zu positionieren. Die Maxime «A brand like a friend» wird künftig noch viel wichtiger. «Kalte» technische Lösungen sollen nicht befremdend wahrgenommen werden, sondern als Teil einer Marke, die alles dafür tut, menschenzentrierte Lösungen zu entwickeln. Uber macht erste Schritte in diese Richtung, schon bevor die Autos bei uns autonom fahren. In einer Plakatkampagne diesen Sommer setzte der global Player auf lokale Nähe; die Zürcher Plakate zeigten den Chinagarten und thematisierten die Schwierigkeit des «Parkierens» in der Zürcher Innenstadt – des «Parkierens», nicht des «Parkens». Well done!

— Ralph Hermann / 30.10.2019