Heads für die Republik
In den letzten Wochen entwickelten wir nach eingehendem Brand Profiling für das Online-Medium Republik ein klares Markenprofil, einen neuen Claim und eine kleine Werbekampagne, die in diesen Tagen in Zürich zu sehen ist. Unter den Leserinnen und Lesern der Republik kommt die Kampagne schon mal nicht schlecht an. Über 80 «Verlegerinnen und Verleger» äussern sich in Kommentaren mehrheitlich positiv. Zum Beispiel Leser Andi Rieser: «Mir gefällt ihre Kampagne, ich will es wissen, darum habe ich die Republik abonniert, danke!» Aber natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Helen F. aus B. schreibt zum Beispiel: «Marketing-Profis braucht diese Welt nicht. Sie sind auch nur ein Teil der Wirtschaftsgelehrten und somit Pseudowissenschaftler.» Viel interessanter die Kritik von Leserin Andrea Victorino: «Mich irritiert, dass diese Erhebung durch die Agentur Heads Corporate Branding unentgeltlich gemacht wurde. Ist die dadurch entstandene Werbung für sie selbst das Entgelt?» Dazu möchte ich gerne etwas ausholen, denn es gibt tatsächlich ein Entgelt, allerdings nicht in Form von Geld.
Mit unserem Engagement für die Republik schliesst sich für mich persönlich ein grosser Kreis. Vor 35 Jahren, an einem Julimorgen, stand ich an der Zürcher Werdstrasse und blickte zum grossen «Tages-Anzeiger»-Logo an der Fassade hoch. Ich war gerade 17 Jahre alt und begann meine KV-Lehre bei der Tages-Anzeiger AG. Der «Tages-Anzeiger» war für mich die «Washington Post» der Schweiz. Es machte mich stolz, nun bei einer Zeitung zu arbeiten, die für unabhängigen, hartnäckigen und kompromisslosen Journalismus stand. Obwohl ich als KV-Lehrling meine Zeit vor allem in der Buchhaltung, der Einkaufsabteilung oder im Vertrieb verbrachte, beseelte mich der gesellschaftliche Nutzen, den die Zeitung stiftete. Purpose, nennt man das heute. Dieser Purpose war so stark, dass ich auch nach der Lehre blieb – insgesamt 16 Jahre. Vom KV-Lehrling zum PR-Assistenten, zum Sponsoring-Mitarbeiter, zum PR-Leiter, zum Kommunikationschef des «Tages-Anzeigers». Arbeitsjahre, die mich nie am Sinn meiner Arbeit zweifeln liessen. «Wir bleiben dran», hiess der langjährige Slogan des Blattes. Und drangeblieben ist die Redaktion auch, vor allem in ihren besten Zeiten, geführt von Roger de Weck. Kurz bevor das Internet die Medienhäuser in ihren Grundfesten erschütterte, verliess ich die Tamedia. Die darauffolgende Entwicklung des Unternehmens konnte ich aus kommerziellen Gründen nachvollziehen, denn Tamedia blieb die Ertragsperle, an die sich die weitverzweigte Verlegerfamilie gewöhnt hatte. Aber Journalismus ging nur noch mit inhaltlichen Kompromissen; die Redaktion musste kleiner und kleiner, der rein kommerzielle Bereich grösser und grösser werden. So blieb der ursprüngliche Purpose auf der Strecke. «Content for People» hiess der Unternehmensclaim. Heute sehen die Journalisten in der (Print-) Redaktion des «Tages-Anzeigers» in grossen Zahlen und «real time», was die Leserschaft gerade online am liebsten anklickt. Kurz – mein Leibblatt kam mir abhanden. Ich mutierte zum NZZ-Leser und geniesse dort zwar bis heute den präzisen Schreibstil, vermisste aber ein investigatives und unabhängiges Medium. Dann kam die Republik. Von Beginn weg machte ich mir zwar Sorgen, ob der grosse Starterfolg die Redaktion nicht unvorsichtig machen könnte (lesen Sie dazu: REPUBLIK – Medienmarke mit Apple-Effekt). Was die Redaktion dann aber in den folgenden zwölf Monaten an herausragenden, einzigartigen Artikeln veröffentlichte und wie viele neue Denkanstösse mir das Medium in dieser kurzen Zeit bescherte, übertraf meine Erwartungen. Als ich dann diesen Sommer las, dass die Republik nicht schnell genug wächst und dies auf lange Zeit existenzgefährdend sein könnte, war ich alarmiert.
So überlegte ich mit meinem Team, ob wir uns, neben all unserer anderen Arbeit, hier nicht für eine gesellschafts- und demokratierelevante Sache unentgeltlich engagieren sollten. Wir sahen das Potenzial im Bereich der Markenführung und glaubten, etwas zum Wachstum des Mediums beitragen zu können.
Die Republik verstand, wo wir Potenzial ausmachten und war an unserer Unterstützung interessiert. So machten wir uns an die Arbeit. Nach einigen Wochen präsentierten wir dem Republik-Team eine recht kritische Analyse, einen Positionierungsvorschlag, einen Slogan und einen Kampagnenansatz (lesen Sie dazu auch auf republik.ch: «Wollen Sie es wirklich wissen»).
Das Team der Republik zeigte sich für unsere Analyse unglaublich offen, neugierig und selbstkritisch. Und wir freuten uns über die hohe Zustimmung, die unsere Vorschläge fanden. Der Slogan passt eben auch zu den hellen Köpfen der Republik: Sie wollen es wirklich wissen. Nun wünschen wir der Republik von Herzen, dass da draussen ganz viele es auch wirklich wissen wollen. So viele, dass die Zukunft der Republik gesichert wird. Dies wäre dann, liebe Andrea Victorino, das Entgelt für unsere Arbeit.